Ein Bericht für eine Akademie von Franz Kafka

Die Erzählung schildert den Lebensbericht des in Afrika gefangenen Affen „Rotpeter“, der die Sprache und Gewohnheiten der Menschen angenommen hat. Als menschlicher Affe, als äffischer Mensch reüssiert er als große Attraktion in Varietés, erlangt die Aufmerksamkeit der Presse und der wissenschaftlichen Gesellschaften. Für eine solche verfasst er diesen Bericht, in dem er seinen Weg vom Affen zum Menschen nachzuzeichnen versucht.

An der afrikanischen Goldküste wird er geschossen und in einem Käfig nach Europa gebracht, um für einen Zirkus dressiert zu werden. An Bord des Schiffes, schwer verwundet und ohne Möglichkeit zur Flucht, erkennt das Tier in der Nachahmung der Menschen eine Chance, der Gefangenschaft zu entkommen. Die Menschen bewegen sich außerhalb des Käfigs; so dämmert es dem Affen, dass er, nur wenn er seine bisherige Identität aufgibt, dem Käfig entrinnen mag. Die Metamorphose vom Affen zum Menschen wird vom Erzähler bar jeder Emphase geschildert. Die Menschwerdung ist nicht etwa Sehnsuchtsziel oder gar eine Apotheose – sie ist schlicht der einzige verbleibende Ausweg aus dem Käfig, einer vermeintlich ausweglosen Situation. An den Menschen findet das gefangene Tier an sich gar nicht Verlockendes. Das einzig Anziehende an ihrer Existenz ist, dass sie außerhalb des Käfigs herumlaufen dürfen, was Grund genug ist, sie nachzuahmen, einer von ihnen zu werden, denn einen anderen Ausweg aus dem Käfig gibt es nicht. Kafka wiederholt die Vokabel des „Auswegs“ als Beschreibung der Menschwerdung wieder und wieder; ja, er lässt den Erzähler sogar diesen „Ausweg“ vom heroischen Begriff der Freiheit abgrenzen, um ihn in seiner Schlichtheit, in seiner Niedrigkeit zu kennzeichnen; er betont das Wort „Ausweg“ so penetrant, dass sich die Vermutung ergibt, genau dies sei die wesentliche Idee für die Erzählung: Der Schritt vom Affen zum Menschen ist nicht etwa die Entwicklung vom minderen Wesen zur Krone der Schöpfung, sondern nur ein annehmbarer, aber an sich nicht erstrebenswerter Kompromiss – eben ein Ausweg.

Um diesen Ausweg zu beschreiten, äfft der Affe die Menschen nach. In deren Imitation liegt zunächst wenig Erhabenes. Die Menschen in seiner Umgebung, die Menschen auf dem Schiff sind einfältig und brutal. Zu ihrer Belustigung bespucken sie das gefangene Tier, stecken ihm die Pfeife in den Mund und animieren ihn zum Schnapstrinken. Wenn er sich verweigert, versengen sie sein Fell mit der brennenden Pfeife. Genau diese Folter aber begreift das Tier als Unterricht zur Menschennachahmung. Denn der erste Schritt, den Rotpeter auf dem Weg der Menschwerdung unternimmt, ist das Erlernen von schlechten Manieren. Mehr als ein Drittel der kurzen Erzählung handelt von diesem Unterricht im Spucken, Rauchen und vor allem im Schnapstrinken, was dem Affen zuerst den größten Widerwillen bereitet. Wortreich schildert der Ich-Erzähler, welchen Kampf und welche Überwindung es ihn gekostet hat, sich an den Schnaps zu gewöhnen. Wieder und wieder versucht er den Ekel, den ihm der Geschmack des Alkohols verursacht, zu überwinden; wieder und wieder scheitert das Tier. Am widerlichen Brennen des Alkohols und an seiner Unfähigkeit, dieses zu lieben, verzweifelnd, schleudert es die Flasche weg. Der kathartische Akt der Humanisierung schließlich gestaltet sich als das Leeren einer Schnapsflasche: „Was für ein Sieg (…) als ich eines Abends vor großem Zuschauerkreis (…) eine vor meinem Käfig versehentlich stehengelassene Schnapsflasche ergriff, unter steigender Aufmerksamkeit der Gesellschaft sie schulgerecht entkorkte, an den Mund setzte und ohne Zögern, ohne Mundverziehen, als Trinker von Fach (…) wirklich und wahrhaftig leer trank; nicht mehr als Verzweifelter, sondern als Künstler die Flasche hinwarf“ und „weil ich nicht anders konnte, weil es mich drängte, weil mir die Sinne rauschten, kurz und gut `Hallo!´ ausrief, in Menschenlaute ausbrach, mit diesem Ruf in die Menschengemeinde sprang“. Der Affe ist Trinker, der Trinker ist Mensch: Das, was den Affen zum Menschen macht, ist zu allererst das Laster.

So wie er diesem verfallen ist, bewältigt er den Rest der Menschwerdung scheinbar wie im Flug. Nur vier Absätze ist Kafka des Affen Aneignung von Sprache, Wissen, Manieren und Bildung der Menschen wert. Die Geringschätzung „der Wissensstrahlen (…) ins erwachende Hirn“ spiegelt sich in der Formulierung des Erzählers: „…ich überschätzte es nicht, schon damals nicht, wieviel weniger heute. Durch eine Anstrengung, die sich bisher auf der Erde nicht wiederholt hat, habe ich die Durchschnittsbildung eines Europäers erreicht. Das wäre an sich vielleicht gar nichts, ist aber insofern doch etwas, als es mir aus dem Käfig half und mir diesen besonderen Ausweg, diesen Menschenausweg verschaffte.“

Bei allen Erfolgen, die der menschgewordene Affe Rotpeter feiert, die ihn zu Banketten und wissenschaftlichen Gesellschaften führt, befriedigt er seine körperlichen Bedürfnisse mit einer halbdressierten Schimpansin. Doch auch wenn er in seiner Sexualität noch Tier geblieben ist, unterscheidet er sich auch hier nur wenig von den Menschen, die in diesem Aspekt mehr als in jedem anderen ihr animalisches Erbe ausleben.

Und genau dies, dass der Mensch zwar Gewalt über das Tier, aber nur so wenig Gewalt über sich selbst hat, schimmert zwischen den Zeilen der Erzählung immer wieder als der Sinn derselben hindurch: Am Menschendasein ist nichts Großartiges, nichts Göttliches. Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, sondern nur ein zufälliger Ausweg der Evolution. Dieser Menschenausweg, den der Ich-Erzähler hier beschreibt, stellt Kafkas sarkastischen Kommentar zur Evolutionslehre dar. Der Mensch mag vom Affen abstammen, aber in seiner moralischen Verkommenheit und geistigen Mittelmäßigkeit verkörpert er keinen großen Fortschritt.

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